Bericht zum Fachtag „Landwirtschaft und Soziales vernetzt“ in Eberfing (18.4.2024)
Im aktuellen KSH-Magazin (Magazin der Katholischen Stiftungshochschule München) ist ein Artikel von Christian Hofmann über den Eberfinger Fachtag „Landwirtschaft und Soziales vernetzt“ (vom 18.4.2024) erschienen. Die entsprechende Ausgabe des KSH-Magazins (1/2024) kann hier heruntergeladen werden (der Artikel findet sich auf S. 43):
https://www.ksh-muenchen.de/fileadmin/user_upload/KSH_Magazin_web_1_2024.pdf
Der Text kann zudem hier eingesehen werden:
Landwirtschaft und Soziales vernetzen
Am 18. April 2024 fand in Eberfing ein Fachtag des Praxisnetzwerks Soziale Landwirtschaft statt, dessen Aufbau vom Forschungsprojekt Natur-Land-Wirtschaft begleitet wird. Organisiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Michael Spieker von der KSH München (Campus Benediktbeuern) in Zusammenarbeit mit Stephan Palkowitsch vom Maschinenring Oberland.
Thematisch stand der diesjährige Fachtag ganz im Zeichen der Vernetzung: wie können Landwirtschaft und Soziales, Bäuerinnen und Bauern und ihre Betriebe einerseits und die Strukturen und Institutionen der Sozialen Arbeit andererseits, besser miteinander vernetzt werden? Denn hier besteht noch Entwicklungsbedarf: Die Nachfrage nach sozialen Angeboten auf Höfen – etwa in der Arbeit mit Demenzerkrankten, der Einrichtung von Bauernhofkindergärten, der Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen oder psychischen Problemen – ist hoch. Und auch das Interesse aufseiten der landwirtschaftlichen Betriebe ist groß, sich auf diese Weise noch breiter aufzustellen und durch Einkommensdiversifizierung ein zusätzliches ökonomisches Standbein zu entwickeln.
Doch sind die Möglichkeiten hierfür in Deutschland noch kaum ausgeschöpft (einige Nachbarländer, wie z.B. Österreich und die Niederlande, sind hier deutlich weiter). Bei Behörden und sozialen Diensten weiß kaum jemand, wie man die Angebote Sozialer Landwirtschaft einordnen und abrechnen soll. Auch die Landwirtinnen und Landwirte sind häufig noch unsicher, wie sie ihr Vorhaben realisieren können. Umso wichtiger ist es, sich zu vernetzen und durch neue Formen der Kooperation auf allen Seiten die Wissens- und Gesetzeslücken zu füllen!
Auf dem Fachtag referierte Prof. Dr. Egon Endres von der KSH München (Campus Benediktbeuern) darüber, „was Netzwerke brauchen und wie sie erfolgreich sein können“. Netzwerke helfen, Probleme zu lösen, man muss sie aber auch pflegen, wie Gärten. Um neue Netze zu knüpfen, bedarf es der „Grenzgänger“ und „Brückenbauer“, welche die „Sprachen“ verschiedener Systeme verstehen. Sie sind es, die als erste die neuen Verbindungen knüpfen oder auch bestehende „Netzwerklöcher“ stopfen und durch ihre Ideen und ihr Engagement andere begeistern und mitziehen. Ein Beispiel für ein solches Netzwerkloch ist etwa, so Prof. Endres, dass die Altenhilfe derzeit noch nicht ausreichend auf das Problem der Suchterkrankung im Alter eingestellt ist. Um dieses Problem anzugehen, müssen Verbindungen geknüpft und jeweils vorhandenes Wissen ausgetauscht werden. Erfolgsbausteine für Netzwerke seien unter anderem gemeinsame Ziele, Kommunikation, die Offenheit für andere Perspektiven, Vertrauen und dass es auf allen Seiten nur Gewinner geben dürfe.
Eine Win-Win-Win-Situation wäre mit erfolgreichen Projekten der Sozialen Landwirtschaft – von denen es bereits viele, wenn auch noch vereinzelte, Beispiele gibt – in jedem Fall gegeben: die Klientinnen und Klienten profitieren durch sinnvolle Tätigkeit und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, die Betriebe durch Einkommensdiversifizierung, staatliche Behörden vermutlich in vielen Bereichen durch langfristige Kostenersparnis.
Zu der Frage, wie speziell Landwirtschaft und Soziale Dienste zusammenkommen können, referierte Martina Rasch von der Fachstelle Maßstab Mensch in Hörstedt (Niedersachen). Frau Rasch kennt sich vermutlich so gut wie niemand sonst in Deutschland mit diesem Thema aus und hat in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet, indem sie neue Wege gefunden hat, auf niedersächsischen Höfen Arbeitsstellen und Pflegeplätze für Menschen mit Beeinträchtigung zu schaffen. Sie berichtete von den Hindernissen, die auftreten, z.B. wenn Kostenträger die Betreuung auf einem Hof nicht als Fälle Sozialer Arbeit erfassen, weil ihnen hierfür die juristischen Kategorien fehlen. Hier konnte Frau Rasch von ihrer eigenen „Übersetzungsarbeit“ berichten, die von ihr bereits viel Hartnäckigkeit und Kreativität verlangte, um jeweils individuell – für die Betriebe und die dort arbeitenden und betreuten Menschen – passende Lösungen zu finden.
Genau diese Übersetzungs- und Netzwerkarbeit ist es, die noch viel mehr gebraucht wird, da waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachtags einig! Inspiriert durch die beiden Vorträge vom Vormittag kamen sie in den gemeinsamen Austausch. So wurde an großen Tischen im World-Café-Format zu folgenden Fragen diskutiert: Wo bestehen Netzwerklöcher? Wie kann man sie überwinden? Welche Hebel sind hierfür nötig? Nach angeregter Diskussion präsentierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einander ihre Ergebnisse. Am Ende schien das Gefühl vorzuherrschen, dass dies ein neuer Anfang gewesen sein könnte und dass es nun an der Zeit sei, die Netzwerkarbeit zu beginnen.