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Nachhaltigkeit

Bericht zum Workshop „SOFAR – Sustainable Rural Regions through Women Social Agripreneurship and Social Farming“ (18.-22.11.2024) in Oeiras (Portugal)

Christian Hofmann

Vom 18. bis zum 22. November 2024 fand der dritte von insgesamt fünf Workshops des aus EU-Mitteln (Erasmus+) geförderten Projekts „SOFAR – Sustainable Rural Regions through Women Social Agripreneurship and Social Farming“ im portugiesischen Ort Oeiras statt. Ziel des Projektes SOFAR (Social Farming) mit über 20 Teilnehmenden aus Portugal, Türkei, Slowenien und Deutschland ist es, einen intereuropäischen Erfahrungsaustausch über die Möglichkeiten und Realisierungswege von Sozialer Landwirtschaft und deren Potenziale gerade für Frauen und die Entwicklung ländlicher Regionen zu führen. Dabei sollen insbesondere den antragstellenden und das Projekt koordinierenden türkischen Projektpartnern von der Gazi-Universität (Ankara) genauere Kenntnisse über die damit verbundenen Konzepte und Möglichkeiten vermittelt werden, die sie dazu befähigen, eigenes didaktisches Material zu entwickeln und entsprechende Entwicklungsprozesse in der Region Ankara anzustoßen. U.a. soll ein Handbuch entstehen, an dem sich z.B. NGOs und Praktiker:innen orientieren können.

Die türkischen Projektpartner koordinieren das Projekt unter der Leitung von Prof. Güclü Yavuzcan. Sie kommen von den Fakultäten für Industrial Design und für Landwirtschaft der Gazi-Universität sowie von einer Frauenkooperative aus Ankara. Bei dem Workshop wurden von den Projektpartnern aus Portugal, Slowenien und Deutschland in insgesamt 10 Modulen etwa über die Themen „Soziale Landwirtschaft und Menschen mit geistiger Beeinträchtigung“ oder „Geschäftsmodelle für Social Agripreneurship“ referiert und hierüber gemeinsam mit den türkischen Projektpartnern diskutiert. Daneben ging es auch um die Präsentation eigener Projekte im Bereich der Sozialen Landwirtschaft, die als Best-practice-Beispiele gelten können. 

Die gastgebende Organisation war die NGO Semear (s. www.semear.pt), die im nur wenige Kilometer von Lissabon entfernten Ort Oeiras ein ökologisch wirtschaftendes Projekt der Sozialen Landwirtschaft betreibt und den Weg zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft aufzeigen möchte. So arbeiten bei Semear Menschen mit (und ohne) geistige Beeinträchtigung bzw. unterschiedlichen Entwicklungsschwierigkeiten auf dem Acker (Semear terra) sowie beim Packen und Transport von Gemüsekisten, und erhalten hierbei eine Ausbildung. Darüber hinaus betreibt Semear auch Verarbeitung und Verkauf von Lebensmitteln (wie etwa Honig, Marmelade oder Olivenöl), ein eigenes Restaurant sowie eine Keramikwerkstatt. Die Arbeit der Organisation wurde in beeindruckender Weise von Iolanda Valente vorgestellt. Semear ist in der glücklichen Lage, durch eine Reihe zahlungskräftiger Sponsoren finanziert zu werden und auf einem sehr weitläufigen Grundstück in kommunalem Besitz, einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden ehemaligen Gartenanlage des Marques de Pombal, Raum für Ackerbau und weitere Aktivitäten zu finden. Auf diesem Grundstück sind neben Universitätsgebäuden zudem weitere Projekte angesiedelt, die z.T. eng mit Semear kooperieren und die für die Projektgruppe ebenfalls Ziele von Exkursionen wurden: so etwa ein städtisches Weingut, das sich dem Experimentieren und dem Erhalt des kulturellen Erbes verschrieben hat, und ein Citizen-Science-Ackerbau-Projekt, bei dem insbesondere mit dem Anbau resilienter, an den Klimawandel angepasster Sorten wie der Saat-Platterbse (Lathyrus sativus) experimentiert wird. Ebenfalls besuchte die Gruppe ein Urban Gardeming-Projekt in Oeiras.

Die slowenischen Projektpartner Goran und Lili Milosovic stellten das Projekt des Bio-Sozial-Hofs Korenika vor (s. https://www.korenika.si/korenika-de), das wie Semear ebenfalls als ein Best-practice-Beispiel der Sozialen Landwirtschaft gelten kann. Im nordostslowenischen Ort Salovci, im Landschaftsschutzgebiet Krajinski park Goricko, wurde ab 2008 der verlassene Hof Korenika wiederbelebt und in Kooperation mit dem Verein Pribinovina mehr als 50 Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung und aus verschiedenen vulnerablen Gruppen geschaffen. Zudem kommen Senior:innen und Schulklassen auf den Hof. Das Projekt umfasst ebenfalls die Bereiche Verarbeitung und Vertrieb von landwirtschaftlichen Produkten (z.B. Heilkräuter und Hanföl) sowie Bildungsveranstaltungen für die Öffentlichkeit sowie Angebote in Tourismus und Gastronomie.

Wie Semear wirtschaftet Korenika ökologisch; bei beiden handelt es sich um Projekte sozialen Unternehmertums, in denen Inklusion und Gemeinwohl im Vordergrund stehen. Damit haben beide Projekte zudem eine große Bedeutung für die soziale Integration in den jeweiligen Kommunen. So sind Semear und Korenika im engen Kontakt und Austausch mit der Verwaltung und dem jeweiligen Bürgermeister und betonen die Vorteile der sozialen Integration von Menschen mit sozialem Unterstützungsbedarf wie z.B. Behinderten, Obdachlosen oder Flüchtlingen für die Kommunen. Die Kommunen (Städte wie Dörfer) werden bei der Integration der sozial bedürftigen Zielgruppen entlastet – sie profitieren also selbst von den Projekten der Sozialen Landwirtschaft und sind zugleich wichtige Netzwerkpartner für diese.

Von deutscher Seite aus waren Alexander Krauss (SoWiBeFo-Institut, Regensburg), Dr. Viktoria Lofner-Meir (Ministerialrätin a.D. und Vorsitzende des Vereins Soziale Landwirtschaft Bayern e.V.) und Dr. Christian Hofmann (KSH München und Verein Soziale Landwirtschaft Bayern) dabei. Alexander Krauss ist in enger Abstimmung mit den türkischen Projektpartnern auch an der Organisation und Koordination beteiligt und hat häufig moderiert. Viktoria Lofner-Meir und Christian Hofmann referierten u.a. über Finanzierungsmöglichkeiten für Landwirtinnen und Landwirte sowie soziale Netzwerke und stellten die Arbeit des Vereins Soziale Landwirtschaft sowie des oberbayerischen Praxisnetzwerks Soziale Landwirtschaft und den im Herbst 2024 erschienenen, von Christian Hofmann gemeinsam mit Prof. Michael Spieker herausgegebenen, Sammelband „Potenziale der Sozialen Landwirtschaft“ vor. 

In der Mischung aus theoretischen Inputs, Best-practice-Beispielen und Exkursionen war die Veranstaltung sehr gelungen und äußerst inspirierend und bereichernd. Die Zusammenarbeit soll 2025 in zwei weiteren Treffen weiter vertieft werden, die in Slowenien und in der Türkei stattfinden sollen. Dabei wird es darum gehen, konkrete Konzepte und Pläne auszuarbeiten, die für die Umsetzung in der Türkei empfohlen werden können. Dabei stellt sich auch die Frage, welche Netzwerkpartner vor Ort einbezogen werden können. Hierfür wäre es vermutlich gut, Landwirt:innen und Vertreter:innen Sozialer Organisationen und Sozialer Arbeit frühzeitig in die Diskussion einzubeziehen.

Bericht zur Abschlussveranstaltung des Projekts NLW am 8.11. in Benediktbeuern: „Das Soziale und die Landwirtschaft“

Am 8. November 2024 fand unter dem Titel „„Das Soziale und die Landwirtschaft. Zwischen gesellschaftlichem Konflikt und neuen Chancen“ die Abschlusstagung des vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Forschungsprojekts NLW („Natur – Land – Wirtschaft“) auf dem Campus Benediktbeuern der KSH München statt.

Prof. Dr. Michael Spieker und Dr. Christian Hofmann stellten dabei das Projekt NLW vor, das seinen Ausgang von dem gesellschaftlichen Konflikt um die Transformation der Landwirtschaft und der Entfremdung von den (nur abstrakt zu trennenden) Bereichen von Landwirtschaft und Gesellschaft nahm, wie sie in der Vergangenheit etwa in den Bauernprotesten zum Ausdruck kamen. Ökonomischer Druck auf die Landwirte (die sich dem Prinzip „Wachse oder weiche!“ ausgesetzt sehen) und die ökologische Belastung der Natur durch intensive Landnutzung können als zwei Seiten des selben Problems aufgefasst werden.

Wie können Landwirtschaft und Gesellschaft wieder zusammenfinden? Wie kann Landwirtschaft wieder sozial und ökologisch nachhaltig werden? Bei der Bearbeitung dieser Fragen konzentrierte sich das Projekt NLW v.a. auf Nischen der Transformation, nämlich die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) und die Soziale Landwirtschaft (SozLawi). Insbesondere letztere stand im Fokus des Forschungsprojekts und somit auch der Abschlusstagung. Das Projekt konnte hierzu den frisch gedruckten Sammelband „Potenziale der Sozialen Landwirtschaft. Vielfalt und Anerkennung für Höfe und Menschen“ (erschienen beim Verlag Metropolis) präsentieren.    

Als Gastreferentin referierte die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Elsen von der Freien Universität Bozen zum Thema „Der Beitrag der Sozialen Landwirtschaft zur ökosozialen Transformation“ und berichtete dabei insbesondere auch von den Erfahrungen mit der Sozialen Landwirtschaft in Italien. Dort ist die Entwicklung der Sozialen Landwirtschaft schon sehr viel weiter vorangeschritten als in Deutschland, sodass es seit 2015 etwa auch ein eigenes nationales Gesetz hierzu gibt. Eine weitere Besonderheit ist, dass in Italien Projekte der Sozialen Landwirtschaft häufig von Bürger- und Sozialgenossenschaften betrieben werden, die auf kleinen Betrieben ökologisch und gemeinwesenorientiert wirtschaften und auf diese Weise neue Wege zu einer ökosozialen Transformation aufzeigen.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine Gesprächsrunde statt, an der Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis (Dr. Markus Höbel aus Altusried sowie das Ehepaar Schönach aus Eschenlohe), der Wissenschaft (Prof. Dr. Elsen) und der Politik (Regine Wiesend vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus) teilnahmen. Das Ehepaar Schönach hat auf dem eigenen Hof eine Außenarbeitsstelle für eine der Töchter eingerichtet, die eine Lernbehinderung hat und mittlerweile weitgehend allein für das Melken und die Versorgung der Kühe zuständig ist.  

Der Theologe und Religionspädagoge Dr. Höbel betreut auf seinem Hof bereits seit über 20 Jahren zunächst Haftentlassene und dann als „unbeschulbar“ abgestempelte Jugendliche, um sie bei ihrem Weg (zurück) in die Gesellschaft zu unterstützen. Dafür bedarf es einer intensiven Betreuung, die z.B. dazu führt, dass Jugendliche im Umgang mit Tieren zum ersten Mal lernen, was Empathie bedeutet, und die sie schließlich auch dazu befähigt, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen.   

Regine Wiesend warb für das Lernen voneinander und für eine offene Gesprächskultur. Susanne Elsen setzte zum Schluss ihre Hoffnung auf die Jugend. Das Land biete jungen Leuten durchaus Möglichkeiten, sich zu entfalten und eigene Projekte zu realisieren. Ein anregendes Gesprächs- und Begegnungsforum, bei dem zugleich viele junge Leute anwesend waren, bot diese Abschlusstagung. Unter den etwa 60 Personen im Audimax waren u.a. Landwirtinnen und Landwirte, Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und zahlreiche Studierende der Sozialen Arbeit.

Abschlusstagung des Projekts „Natur – Land – Wirtschaft“ (NLW) am 8.11.2024 in Benediktbeuern

Am 8.11.2024 (ab 17.30 Uhr) findet die Abschlusstagung des Projekts „Natur – Land – Wirtschaft“ (NLW) auf dem Campus Benediktbeuern der Katholischen Stiftungshochschule München statt. Neben einer Vorstellung des Forschungsprojekts wird es einen Vortrag von Frau Prof. Dr. Susanne Elsen (Freie Universität Bozen) zum Thema „Der Beitrag der Sozialen Landwirtschaft zur ökosozialen Transformation“ geben sowie eine Gesprächsrunde u.a. mit Praktikerinnen und Praktikern der Sozialen Landwirtschaft. Zudem wird der Band „Potenziale der Sozialen Landwirtschaft. Vielfalt und Anerkennung für Menschen und Höfe“ präsentiert, der aus dem Projekt NLW hervorgegangen ist.

Alle Interessierte sind herzlich eingeladen. Bitte nutzen Sie folgenden Link zur Anmeldung: https://terminpla-ner6.dfn.de/b/b650be76bd1612fe1a577b3a9427ef05-872676

51. Rundbrief der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft (DASoL)

„Anknüpfend an mehrere europäische Forschungs- und Weiterbildungsprojekte zu Social Farming und das „Witzenhäuser Positionspapier zum Mehrwert Sozialer Landwirtschaft“ (2008) hat sich 2009 die „Deutsche Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft“ (DASoL) in Trägerschaft des gemeinnützigen Vereins PETRARCA (Europ. Akad. für Landschaftskultur Deutschland e.V.) gegründet. Soziale Landwirtschaft wird als soziale und ökologische Inklusion verstanden – sie hat die Gesundheit und Entwicklung von Mensch und Natur zum Ziel. Sie strebt ein soziales Wirtschaften mit der Natur auf Augenhöhe an: Tiere, Pflanzen, Boden, der Wirtschaftszusammenhang des Hofes zielen auf die Gesundheit von Mensch und Natur. Die Vision ist, Mensch und
Natur im landwirtschaftlichen (i.w.S.) Setting Entwicklungsmöglichkeiten und dafür einen finanziell nachhaltigen Rahmen zu schaffen.
Seit der Gründung betreibt die DASoL das Internetportal www.soziale-landwirtschaft.de, gibt den von über 7.000 Mailadressen bezogenen Rundbrief heraus, engagiert sich in der Forschung (u.a. Projekte finanziert durch das Bundeslandwirtschaftsministerium, das Land Hessen (EIP) und die Europäische Union). Seit 2005 wurden mehr als 150 studentische Abschlussarbeiten betreut, überwiegend am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel/Witzenhausen. Im Rahmen des Moduls Soziale Landwirtschaft wird im Wintersemester in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Maßstab Mensch der interdisziplinäre „Einstiegskurs“ angeboten, in dem Studierende über vier Monate Initiativen und Höfe bei dem Start in die Soziale Landwirtschaft unterstützen. Die DASoL versteht sich als Austauschforum für die Vielfalt Sozialer Landwirtschaft und deren weitere Entwicklung.“

Der 51. Rundbrief findet sich hier:

http://www.soziale-landwirtschaft.de/fileadmin/media/soziale-landwirtschaft.de/PDF/Rundbrief/RUNDBRIEF_DASoL51.pdf

Vortrag von Prof. Dr. Dennis Eversberg zum Thema „Alles eine Frage des Milieus? Oder: Bestimmt die soziale Lage das (Natur-Land-Wirtschaft-) Verhältnis?“ (18.11.2022)

Vortrag von Prof. Dr. Dennis Eversberg (damals Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss“ [flumen] an der Friedrich Schiller-Universität Jena; jetzt Goethe-Universität Frankfurt a.M.) mit dem Titel „Alles eine Frage des Milieus? Oder: Bestimmt die soziale Lage das (Natur-Land-Wirtschaft-) Verhältnis?“ bei der Tagung „Natur – Land – Wirtschaft in der sozialökologischen Transformation?“ (Akademie für Politische Bildung in Tutzing, 18.11.2022):

Vortrag von Prof. Dr. Hrvoje Juric zum Thema „Bioethik und Biopolitik der (post)pandemischen Welt: Landwirtschaft, Ernährung, Leben“ (18.11.2022)

Vortrag von Prof. Dr. Hrvoje Juric (Universität Zagreb) zum Thema „Bioethik und Biopolitik der (post)pandemischen Welt: Landwirtschaft, Ernährung, Leben“ bei der Tagung „Natur – Land – Wirtschaft in der sozialökologischen Transformation?“ (Akademie für Politische Bildung in Tutzing, 18.11.2024).

Vortrag von Prof. Franz-Theo Gottwald: „Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und Tierwohl – was die Gesellschaft von einer transformierten Landwirtschaft erwartet“ (17.11.2022)

Vortrag von Prof. Franz-Theo Gottwald zum Thema „Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und Tierwohl – was die Gesellschaft von einer transformierten Landwirtschaft erwartet“ bei der Tagung „Natur – Land – Wirtschaft in der sozialökologischen Transformation?“ (Akademie für Politische Bildung in Tutzing, 17.11.2022).